Erwachsene haben ein falsches Bild von „Jugend“
„Die Wiederentdeckung von Jugend“ und „Jugend ist wieder ein (lokal)politisches Thema“ — Zwei Kernsätze, die Prof. Wolfgang Schröer von der Uni Hildesheim an den Anfang seines Vortrages stellte. Der Jugendring Braunschweig hatte zum Diskussionsabend ins „Haus der Kulturen“ im alten Nordbahnhof geladen. Motto: „Probleme der Jugendverbandsarbeit und ihre Lösungsmöglichkeiten.“ Ziemlich schnell wurde klar, es gibt offenbar jede Menge Probleme und viel zu wenig Ideen, um sie zu lösen.
Prof. Schröer verwies darauf, das Jugendpolitik viel zu lange ein Nischendasein bei Entscheidungsprozessen geführt und keine Rolle gespielt habe. Als Beispiel nannte er die Umsetzung der sogenannten „Hartz4“-Bestimmungen. Sanktioniert werde die Jugend, sich eingemischt habe sie sich nicht. Ähnlich sei die „Pisa-Studie“ zu bewerten. Deren Folgen wirkten sich maßgeblich auf Jugendliche aus. An der Diskussion haben sie sich so gut wie gar nicht beteiligt. Schuld daran seien jedoch nicht nur die Betroffenen, sondern im großen Maße auch Erwachsene, die ihren Fokus zu sehr auf „Kindheit“ richteten. Die Altersgruppe von 12 bis 27 werde dabei ausgeblendet. Das sei falsch. „Jugendarmut ist mittlerweile in der Gesellschaft größer vorhanden als Kinderarmut“, gab der Professor mit Hinweis auf aktuelle Studien an, „das Bild, das Erwachsene von Jugend haben, ist falsch.“ Schröer wünscht sich ein Ende der Zentrierung auf Kindheit und fordert starke Strukturen, die Jugendliche einbindet.
„Jugendcheck“ soll helfen
Als Beispiel nannte er einen regelmäßigen kommunalen „Jugendcheck“. Dieser soll klären, welche Rechte jungen Menschen zwischen 12 und 27 Jahren haben und wo sie zu finden sind. Daher sollten Jugendverbände und kommunale Jugendarbeit stärker zusammengeführt werden, ohne sich jedoch zu sehr zu verwischen. Ganztagschulen bieten in der Regel Angebote für Jugendliche bis 14 Jahren an. Anschließend wäre großer Spielraum für Verbände.
Das Thema „Schule und Verbände“ stand dann auch im Mittelpunkt der anschließenden Diskussion. Es wurde über Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit gesprochen. Immer wieder kam dabei die intensive und zeitliche Belastung von Schülerinnen und Schülern zur Sprache, die oftmals ein zusätzliches ehrenamtliches Engagement fast unmöglich werden lässt. Ein Phänomen, welches nicht nur in Ganztagsschulen zu bemerken sei. Hier wünschten sich die Verbände ein größeres Entgegenkommen der Schulen insgesamt. Ehrenamtliche Tätigkeiten könnten zum Beispiel positiv im Zeugnis vermerkt werden, um Anreize zu schaffen. Einigkeit besteht bei sämtlichen Verbänden einmal mehr darin, dass die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt wesentlich verbessert werden müssen.
Diskussion ums Jugendamt
Braunschweigs neue Sozialdezernentin Dr. Andrea Hanke nutze den Abend, um sich den Verbänden persönlich in einem Grußwort vorzustellen. Sie zählte die große Zahl von geförderten Jugendeinrichtungen auf und lobte die lange Verbundenheit zwischen Stadt und Jugendverbänden. Zu den geplanten Umstrukturierungen im Jugendamt, die vom Jugendring kritisiert und abgelehnt werden, sagte Hanke, das Veränderungen nicht Verschlechterungen bedeuten müssten. Zudem sei noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Es sind zuvor weitere Diskussionen im Jugendamt geplant.
Neben der Sportjugend Braunschweig nahmen u.a. die Naturfreunde-Jugend, die Falken, der Stadtschüler-Rat, Vertreter christlicher Jugendverbände und Mitglieder des Jugendhilfeausschusses teil.